Segelfliegen in Afrika

Irgendwann an einem besonders nebeligen Novembertag in Graz kam uns ein Bericht über das Segelfliegen in Südafrika unter: Dort ist um diese Jahreszeit ja Frühling, es ist meist strahlend schönes Wetter – und es gibt allerbeste Thermik, oft weit über 5000 m hinauf.

Selfie in 5000 m; ohne Sauerstoff geht hier nichts

 Also beschlossen wir kurzerhand, im Herbst 2000 unseren Doppelsitzer (damals ein Nimbus 3DT) nach Südafrika zu schicken, um vom Flugplatz Gariep Dam aus – dort wird der Oranje-Fluss aufgestaut – möglichst große Strecken zu fliegen.  Und: Wir waren sehr beeindruckt und begeistert – es war der Beginn einer alljährlichen mehrwöchigen Auszeit vom Grazer Winterwetter …. Gariep Dam ist ein relativ ruhiges, und auch relativ sicheres Örtchen – ein Überbleibsel aus der Zeit der Errichtung des Staudamms. Als wir aber nach fast 10 Jahren beschlossen, unseren jährlichen Winterausflug nach Kuruman – im Norden von Südafrika, am Rande der Kalahari-Wüste – zu verlagern, war der erste Kommentar eines Einheimischen: „Das ist Wahnsinn! Dort ist alles ‚schwarz‘! Die fressen euch!“ und Ähnliches. Er hatte nicht ganz Unrecht: In Kuruman und Umgebung leben etwa 100.000 Schwarze, meist in ärmlichsten Hütten; und nur etwa 2000 Weiße; die Kriminalität ist enorm hoch, an jeder Straßenecke sind Schilder angebracht: „Be aware – high crime area“. Und wir erlebten Überfälle, Einbrüche, Diebstähle, Raub auf offener Straße (hier blieb es aber beim Versuch – ich war schneller als der jugendliche schwarze Handtaschenräuber 😊), etc….

Dünenlandschaft in der Kalahari-Wüste bei Pokweni / Namibia: Nicht nur phantastisch schön und exotisch, sondern auch thermisch SEHR ergiebig 😊

Segelfliegerisch war Kuruman noch eine Stufe besser als Gariep Dam: Noch bessere Thermik, noch stärkere Aufwinde – und damit noch längere Streckenflüge. Und das alles bei praktisch freien Lufträumen. Allerdings hatte der Flugplatz in Kuruman auch Nachteile: Die 1600 m lange Piste war nur 15 m breit, und am Rande wuchs sehr trockenes, relativ hohes Gras – ein Problem für unsere Spannweiten von über 27 m …. Zudem liefen Pferde dort frei herum (Argument der Pferde-Besitzerin: „Ich kann leider nichts machen – die ‚Schwarzen‘ haben mir meinen Zaun geklaut“); oder wir kamen am Abend von langen Flügen zurück, und mussten mit der Landung warten, bis das lokale Gokart-Rennen auf der Piste beendet war 😊.

Kuruman ermöglichte uns dafür weite Flüge bis tief hinein ins benachbarte Botswana – dort enden aber schon wenige Kilometer hinter der Grenze alle Anzeichen von Zivilisation: Keine Straßen oder Wege, keine Ortschaften, keine Häuser, keinerlei Spuren; sollten irgendwann einmal Aliens dort landen, würden sie feststellen, dass die Erde unbewohnt ist – abgesehen von ein paar Löwen 😊… Man fliegt über diesen Gegenden mit dem Segelflugzeug tunlichst nur in solchen Höhen, die eine sichere Rückkehr ins zwar ebenfalls unlandbare, aber immerhin etwas bewohntere Südafrika ermöglichen.

Im Jahre 2020 verlegte ich dann meine Winterausflüge nach Pokweni / Namibia – ein Farmer hat dort auf einer großen ‚Lehmpfanne‘ einen Flugplatz aufgebaut, mit Hangar, mit ‚Shade Parking‘ für mindestens 15 Segelflugzeuge, und mit einer 2.7 km langen Start-Piste aus dieser Pfanne heraus. Und diese Pistenlänge ist ein durchaus notwendiger Sicherheitsfaktor: Man startet ja in knapp 1400 m Seehöhe, bei Temperaturen an die 40°C, und ausschließlich mit nicht gerade üppig motorisierten Eigenstartern …

Im Landeanflug auf Pokweni / Namibia: Rechts der Hangar; gestartet wird aus der Pfanne (Bild Mitte, unten), in die Verlängerung – eine 100 m breite, insgesamt 2700 m lange Piste (©Felix Piringer)

Ist man aber erst mal in 800 m oder so über der Pfanne und hat den Motor abgestellt, dann beginnt das große Abenteuer ‚Streckenflug‘: Erst mal vorsichtiges Vorfliegen in relativ geringer Höhe über die unlandbare Kalahari-Wüste, bis nach 1 Stunde oder so die bis dahin eher schwache Thermik zur Höchstform aufläuft: Mit Steigwerten von 5-6 m/s auf Höhen von 4000 bis 5500 m (wir fliegen hier deshalb immer mit Sauerstoff-Brillen), jagen mit Stundenschnitten von über 180 km/h kreislos entlang von Konvergenzen – auf der einen Seite blauer Himmel ohne jede Wolke, auf der anderen Seite tiefschwarzes Gewitter-Gewölk mit gewaltigen Blitzen und Starkregen – und kämpfen uns dann  gegen den oft starken Gegenwind 250 km wieder zurück nach Pokweni.

Bei all diesen Winterausflügen nehme ich meist einen Akaflieg-Kollegen mit, der im Doppelsitzer (Nimbus 4DM) nicht nur solch großartige Segelflugbedingungen kennen lernen kann, sondern auch Einblick in ein durchaus exotisches Leben am Rande von Wüsten gewinnt. Und seit 2017 lade ich auch den jeweiligen Junioren-Sieger der österreichischen Staatsmeisterschaft im Segelfliegen (sis-at) zum Mitfliegen ein – mein kleiner Beitrag zur Jugendförderung.

Eindrücke aus dem Fliegerleben in Südafrika

Durch die Höhe (1400 m MSL) und die trockene Kalahari-Wüstenluft ist der Sternenhimmel extrem beeindruckend; man sieht z.B. die Milchstraße in ihrer ganzen Pracht bis herunter zum Horizont; deshalb haben sich in dieser Gegend auch mehrere sogenannte ‚Astro-Farmen‘ etabliert, die meist etliche größere Teleskope für Hobby-Astronomen anbieten-(©Felix Piringer)

Nach einem der – seltenen – Gewitterregen in der Nähe von Pokweni / Namibia

[KG]

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